Beste und – wider Erwarten mancher – weitestgehend friedliche Stimmung bei der Open Air-Veranstaltung des Jahres in Neu-Ulm: Die BÖHSEN ONKELZ spielten zwei Konzerte im Wiley Sportpark, beide mit jeweils 25.000 Tickets restlos ausverkauft. Als Support mit dabei: die walisische Alternative Rock-Band THOSE DAMN CROWS.
Schon morgens versammelten sich die ersten Fans auf dem Areal der ehemaligen US-Kaserne, die sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Wohn- und Parklandschaft entwickelt hat. Teilweise kamen die Leute von richtig weit her – Schweizer Kennzeichen, ostdeutsche, selbst aus Los Angeles hatte sich jemand auf den Weg in die schwäbische Provinz gemacht, um die Onkelz zu sehen. Die Supermärkte in der Umgebung wurden belagert von den Horden schwarzgekleideter Musikfans, die sich hier noch mit reichlich „Wegbier“ und Essen versorgten, bevor es dann ab Nachmittag Schlange stehen hieß. Ein Verkehrschaos wie bei Peter Fox ein paar Tage zuvor blieb aus, der große Parkplatz direkt am Konzertgelände war am Ende nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt – die Plätze an der Ratiopharm Arena und bei Nuvisan dafür voll belegt. Am Einlass haperte es anfangs ziemlich, irgendwann kamen dann auch die Tickets durcheinander (FOS1, FOS2, Stehplatz) und später wurden die Tickets gar nicht mehr gescannt, um den immer länger werdenden Stau aufzulösen. Zwischendurch mal nen Sechserträger Bier organisiert – happiger Preis, 7 Euro für 0,5 l Gold Ochsen Original vom Fass… Plus 3 Euro Becherpfand, aber die meisten wurden wohl eh mitgenommen. Den Ausschank übernahmen, wie auch schon beim Wiley Open Air die Tage zuvor, lokale Vereine, die sich dadurch etwas dazuverdienen konnten. Mit dem Andrang haben sie wohl allerdings nicht gerechnet – einige waren bald ziemlich fertig, und am hinteren Stand im Infield war um halb 9 schon das gesamte Bier weg – da legten die Onkelz gerade erst los.
Zurück zum eigentlichen Konzert: Punkt halb acht betraten THOSE DAMN CROWS die Bühne. Den Auftritt habe ich selbst aber nicht mitbekommen, da die Fotografen um acht beim BOSC-Bus abgeholt und in den Fotograben geleitet wurden. Die branchenüblichen Regeln – erste drei Songs, kein Blitz, dann wieder raus. Kennt man. Die Musik der Band war aber auch am Bus noch gut zu hören und gefällt. Irgendwo zwischen Alter Bridge und Bon Jovi.

Pünktlich wie die Maurer legen die ONKELZ um 20:30 los mit dem Instrumentalstück ’28‘, benannt nach der damaligen Wohnadresse eines der Mitglieder (die legendär-berüchtigte Weberstraße 28 in Frankfurt) und definitiv von Metallicas ‚The Call of Ktulu‘ (1984) inspiriert. Sänger Kevin stößt beim zweiten Track ‚Guten Tag‘ dazu. Gonzo an der Gitarre und Stephan am Bass nehmen die ganze Bühne in Beschlag, Pe hinter den Drums kann das ja eher schlecht und drescht auf Toms, Snares und anderes ein, Kevin steht oft wie angewurzelt am Mikro und lässt seine „Stimme aus der Gosse“ über das Areal tönen – die in den Augen der berichterstattenden Lokalmedien mangelnde Bewegung sei ihm aber durchaus verziehen, der gesündeste ist er ja eh nicht gerade. Oft gespielte Songs wechseln sich mit Liedern ab, die bisher selten bis nie auf einer ONKELZ-Tour zu hören waren – ‚H‘, ‚Scheißegal‘, ‚Kuchen und Bier‘, die Presseschelte ‚Danke für nichts‘, ‚Gestern war heute noch morgen‘, die ‚Stunde des Siegers‘ aus Oi!-Zeiten und so weiter. Weit mehr als zwei Stunden dauert das Konzert … rundherum ums Konzertgelände zahlreiche Zaungäste, oft mit Stuhl und Bier, die sich zwischen Zaun und Parkplatz das Konzert reinziehen.

Die Fans sind voller Hingabe, wie es man von Onkelz-Gigs gewohnt ist. „Oh wie ist das schön“ ertönt nicht nur einmal aus tausenden Kehlen bis hinauf zum Wiley-Hügel. Ausnahmslos jeder Song wird absolut textsicher mitgesungen… naja, es heißt ja nicht umsonst, dass die Onkelz mit ihren Fans den „besten Chor der Welt“ ihr eigen nennen. Das im Vorfeld vielbeschworene Chaos? Schlägereien? Randalierende Horden? Fehlanzeige … von kleineren Aufeinandertreffen zwischen Security und betrunkenen Fans mal abgesehen – hat man aber doch bei fast jedem Rock- oder Metalkonzert mal. Einer soll ne Naziparole gerufen haben… Depp. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Durfte auch prompt das Gelände in Begleitung der Polizei verlassen.

Die meisten Ansagen macht wie immer Stephan, bei ‚H‘ lässt aber Kevin ein paar Sätze fallen. „Nüchtern sein ist die geilste Droge und die kostet nix.“ Seit dreizehn Jahren ist der Sänger nun clean, nach jahrzehntelangem Drogenmissbrauch quer durch die gesamte Bandbreite. Es grenzt eigentlich an ein Wunder, dass er noch am Leben ist und auf der Bühne steht. Möchte nicht wissen wie oft er dem Tod schon von der Schippe gesprungen ist – sicherlich mehr als nur einmal. Eine glasklare Ansage gibt’s bei ‚Ohne mich‘ gegen Links- und Rechtsextremisten.

Langsam nähert sich das Konzert dem Ende, nach der Hymne ‚Nichts ist für die Ewigkeit‘, zu der Gonzo wie immer seine „Angebergitarre“ (eine Gibson Doubleneck) rausholt, folgt ‚Terpentin‘, zu dem meterhohe Flammen vom Bühnendach in den Nachthimmel schießen. Kurze Pause, dann ertönt das ‚Intro Oratorium‘, gefolgt von ‚Wir ham‘ noch lange nicht genug‘. Ja, wir sind schon im Zugabeblock. Nach ‚Auf gute Freunde‘ folgt ein weiteres seltenes Stück (‚Das Geheimnis meiner Kraft‘), danach mit riesigem Feuerwerk DIE Onkelz-Hymne schlechthin: ‚Mexico‘. Ein uralter Gassenhauer, geschrieben zur Fußball WM ’86, und noch heute oft in Fußballstadien landauf landab zu hören. Zum Schluss, wie immer, ‚Erinnerungen‘, mit dem die ONKELZ die Fans dann in die Nacht entlassen. Einzige Hürde: Noch vom Parkplatz wieder runterkommen. Dauert ne Weile. Aber irgendwann ist auch das geschafft. Geiles Konzert. Könnte gleich nochmal…
Setliste:
1. 28
2. Guten Tag
3. Finde die Wahrheit
4. Scheißegal
5. Gehasst, verdammt, vergöttert
6. Du kannst alles haben
7. Danke für nichts
8. Ich bin wie ich bin
9. Zu nah an der Wahrheit
10. Kuchen und Bier
11. So sind wir
12. Das Problem bist du
13. Stunde des Siegers
14. Gestern war heute noch morgen
15. Wir schreiben Geschichte
16. Zieh mit den Wölfen
17. Ohne mich
18. C’est la vie
19. Bin ich nur glücklich, wenn es schmerzt
20. H
21. Angst ist nur ein Gefühl
22. Nichts ist für die Ewigkeit
23. Terpentin
ZUGABEN
24. Oratorium / Wir ham‘ noch lange nicht genug
25. Auf gute Freunde
26. Das Geheimnis meiner Kraft
27. Mexico
28. Erinnerungen
Nachfolgend noch ein paar Bilder rund um die Show:
















