In dieser neuen Serie möchte ich einmal Orte und Plätze in Ulm (und Neu-Ulm) sowie dem Umkreis vorstellen.
Beginnen möchte ich mit dem Fischerviertel im Herzen von Ulm. Eigentlich ja „Fischer- und Gerberviertel“ genannt, liegt es im Südwesten der historischen Altstadt. Begrenzt wird es im Westen vom Kobelgraben, im Süden von der Donau, im Osten von der Schwörhausgasse (den dort liegenden Weinhof stelle ich ein andermal vor) und im Norden heute von der „Neuen Straße“. Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte auch noch das Lederhof-Gelände zwischen Lautengasse und Friedrich-Ebert-Straße dazu. Die Lebensader des Viertels sind die beiden Arme der Blau, die nördlich vom Lederhof in die Stadt eingelassen wurde und dann in die Donau mündet.

Entstanden ist das Fischerviertel wohl nach der Stadterweiterung von 1316. Geprägt wird es von vielen gut erhaltenen Fachwerkhäusern, in denen Handwerker im Mittelalter ihre Leder gerbten und zum Trocknen auslegten. Glücklicherweise wurde das Viertel – im Gegensatz zum Großteil der Stadt – bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg einigermaßen verschont, so dass es neben dem Viertel „Auf dem Kreuz“ einer der schönsten mittelalterlichen Orte in Ulm geblieben ist, auch wenn sich der ein oder andere moderne Bau auch dort bereits breitgemacht hat.
Blick von der Lochmühle in Richtung Süden auf die flussseitigen Fassaden der Gerberhäuser entlang der Großen Blau
Ganz im Norden befindet mit der historischen Lochmühle der älteste erhaltene Mühlenbau in der Ulmer Altstadt. Die Lochmühle wurde erstmals im Jahr 1356 in einem Spruchbrief erwähnt. Da in diesem von einem Gewohnheitsrecht die Rede ist, muss die Mühle aber schon lange vorher bestanden haben. Der Südgiebel ist im Originalzustand und wurde vor 1612 errichtet. 1977 wurde das bis dahin verputzte Gebäude saniert und eine Wirtschaft zog dort ein.
Die Lochmühle an der Großen Blau
Weiter geht es durch die Schwörhausgasse, die das Fischerviertel vom Weinhof trennt. An deren Ende steht das „Schiefe Haus“, das im 14. Jahrhundert errichtet wurde und nach mehreren Umbauten im Jahr 1443 seine heutige Gestalt erhielt. Bedingt durch das jahrhundertelange langsame Absinken der flussseitigen Fassade in das Erdreich weist das Gebäude heute eine Neigung von etwa 10° auf. Seit der Sanierung 1995 wird das Haus als Hotel genutzt, seit 1997 gilt es als schiefstes Hotel der Welt. Es ist heute eins der bekanntesten Gebäude Ulms.

Am Schiefen Haus rechts abgebogen, steuert man geradewegs auf die „Ulmer Münz“ zu. Das Gebäude wurde im frühen 15. Jahrhundert errichtet und beherbergte zwischen 1620 und 1624 die Münzstätte der Freien Reichsstadt Ulm. Später wurde das Gebäude verschiedenartig genutzt, zum Beispiel um 1900 als Rollgerstenfabrik. 1987/88 wurde das Haus saniert und das Fachwerk wieder freigelegt.
Vom Vorplatz der Münz und des Schiefen Hauses hat man auch einen Blick auf die 1316 errichtete Häuslesbrücke.

Man gelangt auf das „Fischerplätzle“, das sich ganz im Südosten des Fischerviertels befindet. Hier befand sich früher der „Gumpen“, ein kleiner, innerhalb der Stadtmauer gelegener Donauhafen. Umrahmt wird der Platz vom „Schönen Haus“ (urkundliche Erwähnung 1533, Umgestaltung 1616, Belgrad-Fresko von 1717), dem Zunfthaus aus dem 15. Jahrhundert und der Stadtmauer von 1480 – bis 1843 stand hier auch noch der „Einlaß“, einer der vielen Stadttürme Ulms. Von hier aus kommt man auch auf die historische Stadtmauer, die man zwischen der Adlerbastei und der Oberen Donaubastion (mit einer Unterbrechung auf der Herdbrücke) komplett ablaufen kann.
Weiter geht es durch die Fischergasse, vorbei am „Schmalen Haus“ aus dem 16. Jahrhundert, welches bei 16 Meter Länge nur eine Breite von 4,63 Meter aufweist und an der seit 1626 bestehenden Gaststätte „Zur Forelle“. Hier geht es rechts weiter zur Häuslesbrücke, links kommt man auf den offiziell „Schweinmarkt“ genannten Platz, der von jedem Ulmer aber nur als „Saumarkt“ bezeichnet wird. Am Ende des Saumarkts befindet sich die Obere Donaubastion (nicht verwechseln mit der weiter westlich gelegenen gleichnamigen Bastion der Bundesfestung), die ab 1617 an der südwestlichen Ecke der Stadtbefestigung errichtet wurde.
Die Obere Donaubastion, auch Bastion Lauseck genannt, anlässlich des Schwörmontags beflaggt.
Vom Saumarkt zurück, geht man geradewegs auf das „Kässbohrerhaus“ zu, welches um 1480 als Wohnhaus errichtet wurde. Es ist das Stammhaus von Karl Kässbohrer, dem Gründer der späteren Kässbohrer Fahrzeugwerke (heute als „EvoBus“ Teil des Daimler-Benz-Konzerns), und beherbergt heute das Setra-Museum.

Man kann nun entweder über die Blauinsel zur Lochmühle zurücklaufen, wo man die Front der Gerberhäuser entlang des Flusses bestaunen kann und am Ende noch auf das schön sanierte Fachwerkhaus „Auf der Insel 1“ trifft. Oder man geht über die parallel verlaufende Fischergasse wieder in Richtung Norden, auch hier kommt man noch an ein paar schönen Fachwerkhäusern wie den Hausnummern 18 und 22 vorbei und kann sich noch unterwegs im Allgäuer Hof oder im Wilden Mann stärken.
Titelbild: Das Schiefe Haus bei Nacht, ganz links angeschnitten die Ulmer Münz. Dazwischen das Haus Schwörhausgasse 5. Ganz rechts hinter dem Schiefen Haus kann man noch ein Stück der ursprünglichen Stadtmauer Ulms aus dem 12. Jahrhundert (der sogenannten „Staufermauer“) sehen.
Anfahrt: Mit dem Auto in die Stadt zu fahren, ist auf Grund der zahlreichen Baustellen gerade nicht zu empfehlen. Besser die P+R-Parkplätze an der Donauhalle nutzen und mit der Straßenbahn bis zur Haltestelle Hauptbahnhof fahren. Von dort aus geht es durch die Einkaufsmeile Bahnhofstraße / Hirschstraße, dann rechts den Lautenberg am Neuen Bau hinunter, dann links unter der Unterführung durch. Schon steht man im Fischerviertel.
Hallo,
kann mir jemand erklären,
warum das Fischerviertel und das Münster im zweiten Weltkrieg bzw. der Bombennächte unversehrt geblieben sind?