Es ergab sich wieder einmal die seltene Gelegenheit, sich ein Festungswerk der Bundesfestung Ulm/Neu-Ulm etwas näher anzusehen, als es normal der Fall ist. Heute stand das Blaubeurer Tor auf dem Programm. Es gehört zu den wenigen Festungswerken, die so gut wie jeder Ulmer kennen dürfte, und sei es nur wegen dem Ringverkehr um das Tor herum, auf dem es beinahe täglich kracht.
Das dem romanischen Stil nachempfundenen – und damit in der Festung aus der Rolle fallenden – Tor wurde zwischen 1848 und 1852 als Teil der Courtine VI gebaut, diese war ein Teil des inneren Festungsgürtels, genauer gesagt der Oberen Stadtfront, die die Donau mit dem Michelsberg verbindet. Nördlich und südlich des Tors schloss sich einst die Escarpenmauer an, von der heute nur noch sehr wenig vorhanden ist. Westlich des heute noch erhaltenen (inneren) Tors lag ein Wallschild, das „Ravelin VII“, das auch das Mittlere und das Äußere Tor samt Wachkasematten, Blockhaus und Geschützstellungen enthielt.
Ab 1899 wurde die mittlerweile obsolet gewordene Stadtumwallung von der Stadt Ulm aufgekauft, das Tor blieb aber noch in der Hand der Militärverwaltung. Denn im nördlichen Torturm befand sich ein fünfzig Meter tiefer Brunnen, der auch die Forts auf dem Eselsberg mit frischem Wasser versorgte. Erst mit dem Bau der Pumpstation Lehrer Tal um 1908 wurde die Wasserversorgung anderweitig sichergestellt und das Tor fiel in die Hände der Stadt. Die Mauern und das Ravelin wurden bereits abgetragen, und das Tor stand nun als Solitär da, diente aber nach wie vor als Durchfahrt.
Anfang der 1960er Jahre, als der Verkehr immer dichter wurde, wurde um das Tor ein Ringverkehr angelegt, von dem die Blaubeurer Straße in Richtung Westen, der Hindenburgring in Richtung Süden und die Ludwig-Erhard-Brücke in Richtung Osten führten. Das führte dazu, dass das markante Tor inmitten dieses Rings weithin sichtbar stand. Die Beschädigungen durch den Zweiten Weltkrieg waren dem Tor auch noch anzusehen, unter anderem fehlten an beiden Türmen einige der Zinnen. Ende der 1960er Jahre sollte das Tor abgerissen werden, um Platz für die neue Autobahn A80 zu machen. Dies wurde jedoch von Ulmer Bürgern und Denkmalpflegern erfolgreich verhindert, wenngleich das Tor auf der Stadtseite doch um ein Drittel seiner Höhe verringert wurde, damit man ab 1971 eine Brücke darüber legen konnte. Aus der geplanten A80 wurde dann Anfang der 1980er Jahre mit der Reform des Bundesverkehrswegeplans die Bundesstraße 28 bzw. 10.
Heute steht das Tor nicht mehr so weithin sichtbar da, es versteckt sich etwas hinter den Büschen, die mit der Zeit am Blaubeurer Ring entstanden sind. Obdachlose benutzen es als Schlafstätte, leider findet man auch immer wieder Graffiti an den Mauern. Rundherum führen Fußgänger- und Radwege, der Festungsweg führt am Tor direkt vorbei, an einer Infostele wird der Spaziergänger auch über die Geschichte des Tors und der Festung informiert.